Feinstaub schädigt auch das Herz

In der aktuellen Diskussion um die Feinstaubbelastung in deutschen Städten spielen die kardiovaskulären Risiken meist keine große Rolle. Dabei sind sie beträchtlich.

„Verschmutzte Luft tötet mindestens genauso viele Menschen wie Rauchen.“ Mit dieser markigen Aussage stellten zwei Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Mainz im Frühjahr dieses Jahres eine gemeinsame Studie vor. Deren alarmierendes Fazit lautet: Im Schnitt verlieren die Deutschen allein durch dreckige Atemluft 2,4 Lebensjahre.

Im politischen und gesellschaftlichen Diskurs stehen meist die Lungenschäden im Vordergrund, die Feinstaub anrichten kann. Dafür sorgte unter anderem ein relativierender, aber mit falschen Zahlen begründeter Appell von über 100 Lungenfachärzten im Januar dieses Jahres. Weniger bekannt ist: „Feinstaub kann auch das Herz-Kreislauf-System massiv schädigen, indem er Bluthochdruck, Diabetes und in der Folge Artherosklerose – im Volksmund ‚Arterienverkalkung‘ genannt – begünstigt“, so der Herzspezialist Peter Hoffmann, der in Berlin-Prenzlauer Berg eine internistische und kardiologische Gemeinschaftspraxis betreibt.

Der Grund liegt in sogenannten freien Radikalen, die von Feinstaub in den Gefäßen gebildet werden. Durch sie werden Enzymsysteme aktiviert, die wiederum die Entstehung der genannten kardiovaskulären Leiden befördern. Hinzu kommt, dass durch Feinstaub auch Stress- und Entzündungsreaktionen initiiert werden können.

„Herzinfarktrisiko steigt dramatisch“
Als Folge daraus steigert eine hohe Feinstaubkonzentration in der Atemluft das Risiko eines Herzinfarktes und kann einen solchen sogar „triggern“, also entscheidend in Gang setzen. „Wer ohnehin gefährdet ist und dann einer hohen Feinstaubkonzentration ausgesetzt, für den steigt das Herzinfarktrisiko dramatisch. Auch das Risiko für Krebs und für Lungenerkrankungen wie COPD und Lungenentzündung steigt, aber weniger stark“, warnte Studienautor Thomas Münzel, Professor an der Universitätsmedizin Mainz, im Interview mit der „Welt“.

Bei Feinstaub handelt es sich nicht um Mikro-Staubteilchen, sondern eher um Tröpfchen, zu denen sich verschiedene Stoffe in der Atmosphäre vermischen. Der Verkehr mit seinen Abgasen und seinem Reifenabrieb trägt einen großen Teil zur Belastung bei, doch auch Kleinfeuerungsanlagen, die Industrie und die Landwirtschaft verursachen viel Feinstaub. Somit kann man auch auf dem Land nicht sichergehen, gesunde Luft zu atmen: Wo viel Gülle ausgebracht wird, entsteht ebenfalls viel Feinstaub. Zahlreiche Forscher fordern, die Grenzwerte deutlich zu senken.